Inaugurationsveranstaltung für die Institutszeitschrift The Turn
Sinn & Unsinn schließen sich nicht aus, sie sind keine ›Antinomie‹. Es gibt kein Gesetz der Sinnhaftigkeit, das mit einem Gesetz der Unsinnigkeit in Konkurrenz treten würde. Das jedenfalls behauptet der Bauingenieur Erhard H. Bellermann, wenn er bemängelt, die Rede sei niemals von ›Starksinn‹, sondern immer nur vom ›Schwachsinn‹.
Kann Sinn also stark oder schwach sein? Diese Frage ist insofern bemerkenswert, als sie selbst unsinnig erscheint, schließlich verstehen wir unter Schwachsinn keinen schwächeren Sinn, sondern etwas für uns Unsinniges. Solch ein Bellermannscher Unsinn hat jedoch gerade deshalb Sinn, weil er aufzeigt, dass Sinn eben kein Strom ist, der stark oder schwach, gleich- oder wechselgerichtet ist, den man an oder ausschalten kann.
Unsinn steht vielmehr in einem besonderen Verhältnis zu Sinn. Er ist nicht ›sinnfrei‹, sondern, indem er Sinn subvertiert, gründet er seinen eigenen, höchst widersprüchlichen Sinn, der sich dadurch auszeichnet, dass er nicht funktioniert. Unsinn überschreitet die Grenzen des Sinnvollen, von daher ist er des Sinnes übervoll, ruft eine Sinnkrise aus, führt zum Kollabieren des Sinnzusammenhangs. Deshalb ist Unsinn so bemerkenswert: Im Einbruch von Sinn wird sichtbar, was ihn tatsächlich trägt.
Zu dieser These veranstaltete das Al-Mustafa ﷺ Institut den Themenabend »Sinn & Unsinn«. Er ist die erste Veranstaltung einer Reihe, die parallel zum Erscheinen der Institutszeitschrift TheTurn, Zeitschrift für Philosophie, Theologie und Mystik organisiert wurde. Eingeladen waren die Autor*innen, Fachwissenschaftler*innen der Philosophie, Theologie, Orientalistik sowie Studierende dieser Fächer.
Video zu Übersicht des Abends: https://www.youtube.com/watch?v=-A9Rck9M-P4&t=9s
Folgende Vorträge wurden gehalten:
Prof. Mahdi Esfahani, Leiter des Al-Mustafa ﷺ Instituts (Philosophie) führte den Themenabend ein, indem er sich Gedanken zu den Begriffen ›Sinn‹ und ›Unsinn‹ machte und danach fragte, inwiefern Sinn überhaupt nur in Hinblick auf Grenzen möglich sei, denen gegenüber so etwas wie Unsinn steht.
Prof. Birgit Zweigle von der evangelischen Hochschule Berlin (Didaktik und Methodik) sprach über die ›klare Rede Jesu‹. Sie behandelte die Frage nach der Sinnhaftigkeit, die seine Worte auszeichnete und inwiefern sie auch als sinnstiftend erfahren wird.
Dr. Stefanie Rudolf von der Freien Universität Berlin (Semitistik) hingegen befasste sich mit der ›unklare Rede Jesu‹, daher mit den Worten Kaulakau, Saulasau, Zeesar, die als Jesus-Karikatur überliefert sind, wobei es sich um jene drei Worte mit verborgenem Sinn handeln könnte, die Jesus dem Apostel Thomas offenbarte.
Dr. Osman Hajjar von Al-Mustafa ﷺ (Methodologie) vertiefte die Frage, inwiefern es im Koran neben einem selbstreferenziellen Diskurs der Klarheit – z.B. »in einem klaren Buch« (Q 27,75) – einen weniger offensichtlichen Konterdiskurs der ›Unklarheit‹ gibt, und welche Bedeutung das ggfs. hieraus entstehende Spannungsfeld für die Entfaltung von Sinnproduktion hat.