Bericht zum 8. Abend der Philosopie, Theologie & Mystik

Am 10. Mai 2024 fand der 8. Abend der Philosophie, Theologie und Mystik unter dem Thema „Wille und Wissen“ statt. Veranstaltet wurde dieser Online-Vortragsabend vom Al-Mustafa Institut Berlin in Kooperation mit der Stiftung für islamische Studien e. V. (SIS). Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden zwei Wissenschaftler eingeladen, deren Forschungen sich mit tiefgründigen Aspekten der islamischen Theologie und Mystik befassen.

Der erste Vortrag mit dem Titel „Al-Badāʾ in der schiitischen Theologie“ von Dr. Mahdi Esfahani (Universität Teheran) bildete den Auftakt des Abends und widmete sich dem Begriff badāʾ und der daraus abgeleiteten Lehre, die besonders in der schiitischen Theologie von Bedeutung ist und die grob umschrieben besagt, dass Gottes Wille nicht durch seine ewige Bestimmung eingeschränkt wird, sondern dass es ihm freisteht, bewusst in einige aktuelle Angelegenheiten der Schöpfung einzugreifen und sie auf ein anderes Ziel auszurichten, als es von ihm selbst zunächst vorherbestimmt wurde. Ausgehend von der Existenz Gottes, seiner Unbegrenztheit, seiner Allgegenwart und seiner unveränderlichen Allwissenheit wurde dabei in dem Vortrag anhand einiger Textbeweise aus dem Koran und den imamitischen Überlieferungen erörtert, dass die Lehre von badāʾ und das mögliche veränderliche In-Erscheinung-Treten des göttlichen Willens nicht in einem rationalen Widerspruch zur Unveränderlichkeit Gottes und seines ewigen Allwissens stehen. Vielmehr sei badāʾ ein Ausdruck der unbegrenzten Allmacht Gottes und unterstreiche diese und bedeute zudem ein tieferes Verständnis über das göttliche Wissen, den Willen Gottes und seine Manifestationen.

Den zweiten Vortrag des Abends zum Thema „Wille und Wissen“ hielt Dr. Raid Al-Daghistani (Universität Münster) unter dem Titel „Der Geschmack des Wissens: Zur Epistemologie des dhawq im Sufismus“. In seiner Einleitung ging er zunächst auf den Begriff „Sufismus“, arabisch taṣawwuf, ein und besprach einige Begriffsdefinitionen und Kernelemente dieser Lehre, anhand derer er deutlich machte, dass Sufismus innerhalb des islamischen Spektrums einen besonderen Weg der Aneignung von Wissen und Erkenntnis darstellt. Hierbei ist vor allem der Begriff dhawq von Bedeutung, der als „Geschmack“ ein „Schmecken Gottes“ beschreibt und damit auf eine intuitive, erfahrungsbasierte Erkenntnisform verweist, die, wie der Vortrag zeigte, jenseits des rationalen Verstehens liegt. Dhawq sei daher als ein persönlicher und innerlicher Prozess zu verstehen, der von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich aussehen kann und verschiedene Formen annimmt, die auf einer subjektiven Wahrnehmung des Wissens gründen und den jeweiligen „Geschmack“ einzigartig erscheinen lassen. Erzeugt werden könne dieser Geschmack mit Hilfe der Gnade Gottes durch spirituelle Übungen, die auf verschiedenen Stufen zu existenziell-spirituellen Erfahrungen führen und am Ende eine übersinnliche Wirklichkeitserkenntnis ermöglichen und somit gleichzeitig einen Zugang zu einem metarationalen Wissen eröffnen, durch das der Mensch das Sein Gottes auf besondere und individuelle Art und Weise zu schmecken vermag.

Im Anschluss an diese beiden äußerst aufschlussreichen Vorträge fand dann als Abrundung des Abends noch eine ausführliche Frage-Antwort-Runde statt, bei der die Referenten die Möglichkeit erhielten, anhand der gestellten Fragen und Kommentare einzelne Aspekte ihrer Vorträge zu vertiefen und in der Diskussion weitere Zusammenhänge zu erläutern.

Beiden Referenten gilt an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unser herzlichster Dank für diesen schönen und erkenntnisreichen Abend, der sicherlich für alle Beteiligten eine große Bereicherung war.