Bericht über den 7. Abend der Philosophie, Theologie und Mystik am 28.4.2023

Aktuelle Veranstaltung des Instituts…

Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung zum Thema hielt Dr. Stephan Zimmermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, den ersten Vortrag des Abends mit dem Titel „Wille und Wissen in der Philosophie Immanuel Kants“.

Der Referent ging zunächst kurz auf die Biographie des deutschen Philosophen Immanuel Kant ein. Dr. Zimmermann machte deutlich, dass Kant erdrutschartige Umbrüche in der Philosophie ausgelöst hat. Der Referent begann mit dem Begriff des Willens bei Kant. Den Willen des Menschen fasste Kant demnach als eine von den unzähligen Kausalitäten, die in der Welt vorkommen, auf. Der menschliche Wille sei nicht die einzige Kausalität, die es in der Welt gibt, aber sie sei eine durchaus eigentümliche. Unter einer Kausalität verstand Kant dabei allgemein ein Verhältnis, das durch zwei Merkmale gekennzeichnet sei. Das finde sich vor allem in seiner Kritik der reinen Vernunft ausgearbeitet. Demnach sei Kausalität erstens das logische Verhältnis eines „Grundes“ zu einer „Folge“. Etwas ist die Bedingung für etwas anderes. Zweitens sei Kausalität ein zeitliches Verhältnis der „Succession“ (KrV B 183). Etwas ereigne sich früher als etwas anderes. Und beides zusammen mache Kausalität zum Verhältnis von „Ursache und Wirkung“. Eine Ursache sei folglich ein solches Ereignis, das früher eintritt als ein anderes Ereignis und die Bedingung dafür ist, dass dieses andere Ereignis (die Wirkung) eintritt. Unter diesem Begriff von Kausalität fasse Kant den Willen des Menschen. Das findet sich etwa in seiner Kritik der praktischen Vernunft aus dem Jahr 1788. Dort erklärt Kant, dass der menschliche Wille das „Vermögen“ ist, „durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein“.Und zwar sei dies die Vorstellung einer Handlung, die ursächlich dafür sein kann, dass das durch sie Vorgestellte zur Wirklichkeit kommt, dass also die Handlung realisiert wird. Der Referent kam dann zum Begriff des Wissens bei Kant. Nach Kants Überzeugung bleibe das Wissen an unsere Sinne gebunden. Dass der theoretischen Vernunft ein Gegenstand „anderweitig gegeben werden muss“, bedeute, dass er dem Denken in der raumzeitlichen Wahrnehmung begegnen müsse. Dabei kann es sich um Sehen oder Hören, Riechen, Tasten oder Schmecken handeln – Wissen ist für Kant bloß zu haben von dem, was auf die eine oder andere Weise sinnlich wahrgenommen werden kann. Ein Gegenstand, den wir in Raum und Zeit sehen oder hören, riechen, tasten oder schmecken, wird gewusst, insofern er durch das Denken bestimmt wird als das, was er ist. Kant setzt den Begriff des Wissens demnach ab von den Begriffen des Meinens einerseits und des Glaubens andererseits. Dabei handelt es sich um drei Modi des Führwaltens: Was man meint, glaube oder weiß, das halte man für wahr. Und Wissen ist nach Kant ein solches Fürwahrhalten, das „objectiv zureichend“ ist. Objektiv zureichend bedeutet, dass man für das, was man über einen Sachverhalt für wahr halte, nicht nur einen Grund habe, sondern einen solchen Grund, der in diesem Sachverhalt selbst liege. Weltkenntnis sei nun in dreierlei Hinsicht nötig für die Anwendung einer Maxime. Zum einen muss ein Akteur einigermaßen über die Zusammenhänge, in denen er gerade steht, im Bilde sein. Um eine Handlungsregel angesichts einer Situation konkretisieren zu können, muss er um die wesentlichen Hinsichten dieser Situation wissen. Der Vortragende schloss seinen Vortrag mit zwei Gesichtspunkten, unter denen der Wille des Menschen in keiner Beziehung mit Wissen steht.

Dem Vortrag von Dr. Zimmermann schloss sich der Vortrag von Dr. Detlef Thiel, „Arthur Schopenhauer. Der Begründer des metaphysischen Voluntarismus“ an. Dr. Thiel ging zunächst auf die Biographie Schopenhauers und dann auf Schopenhauer als Systemdenker ein. Schopenhauer sei der letzte Systemdenker, bei ihm gebe es ein Prinzip (der Wille), aus dem alles abgeleitet werde. Schopenhauer selbst habe die zweimalige Lektüre seines Werks vorgeschlagen. Anschließend stellte der Referent die Grundgedanken von Schopenhauer – die Willensmetaphysik und Epistemologie – dar. Im 1. Satz seines Hauptwerks „Die Welt als Wille und Vorstellung“ heißt es, dass die Welt Wille und Vorstellung sei. Der Wille sei bei Schopenhauer oberstes Prinzip, er sei wild, unbändig und irrational. Objekte an sich gebe es nicht, auch nicht der Körper oder Gehirn, alles ist Vorstellung (Erscheinung). Die Vernunft erscheine erst beim Menschen, als Produkt eines unbändigen Willens. Das Leben sei Leiden, das Mitleid erscheine als Grundtriebfeder aller Moral. Der Referent stellte danach ausführlich die Einflüsse auf das Werk Schopenhauers dar, wie den von Platon, von Kant und den Einfluss der Upanishaden. Der Wille erlange bei Schopenhauer eine neue Bedeutung. Dabei sei die Ausdehnung auf alle bewussten und unbewussten psychischen Akte feststellbar, der Wille werde universalisiert. Anschließend ging der Referent auf die Wirkungsmächtigkeit des Weltwillens ein. Der Wille sei gerichtetes Streben, der Weltlauf irrational, sinnlos. Weiterhin stellte der Referent die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde dar und beschrieb abschließend die Metaphysik des Willens und deren Wirkungsgeschichte.

Auf den Vortrag von Dr. Thiel folgte der Vortrag von Prof. Hans Otto Seitschek mit dem Titel „Nietzsches Wille zur Macht. Eine eigene Konzeption des Willens“. Auch Prof. Seitschek ging zunächst kurz auf die Biographie Friedrich Nitzsches ein. Anschließend beschrieb er die Grundzüge von Nietsches Philosophie. Sie richte sich gegen Metapysik, den ethischen Rationalismus von Kant, die Systemphilosophie Hegels, den deutschen Idealismus und die Religion im herkömmlichen, verkirchlichten Sinne. Nietzsche wollte stattdessen Neues schaffen. Der Referent ging danach ausführlich auf Nietzsches Pläne zum Willen zur Macht ein. Noch bis Ende der 1880er Jahre plante Nietsche ein eigenes Werk mit dem Titel Wille zur Macht, kehrte jedoch von seinem Vorhaben ab. Die für dieses Werk vorbereiteten Texte stellten einen Großteil der „Götzendämmerung“ (1889) dar, Aphorismen und Gedanken gingen auch in „Der Antichrist“ ein. Obwohl kein solches Werk mehr geplant war, habe seine Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, 1901 ein solches Buch herausgegeben und 1906 dazu noch als Kompilation um 100 Seiten erweitert, wobei es seitdem immer wieder zu Neuauflagen kam. Das alles sei dem Referenten zufolge gegen den Willen Nietzsches erfolgt. Prof. Seitschek ging anschließend auf Missverständnisse zum Begriff des Nachlasses von Nietzsche dar. Danach stellte der Referent Martin Heideggers Interpretation von Nietzsches „Willen zur Macht“ dar. Wille zur Macht, Werden, Leben und Sein im weitesten Sinne bedeuten in Nietzsches Sprache dasselbe. Mit der Umwertung aller Werte vollziehe sich Umkehrung aller Metaphysik. Diese Umkehrung habe Nietzsche für die Überwindung der Metaphysik gehalten. Nach dem Vortrag von Prof. Seitschek folgte eine Diskussionsrunde mit der Möglichkeit von Fragen an die ersten drei Referenten des Abends.

Nach einer kurzen Pause hielt Prof. Mahdi Esfahani einen Vortrag mit dem Titel „Über das Wissen Gottes. Eine islamische Annäherung“. Prof. Esfahani leitete sein Referat mit einem Koranzitat ein, in dem es heißt, dass die Menschen nichts vom Wissen Gottes erfahren, außer das, was Er will (Sure 2:255). D.h., dass Gottes Wissen ein unendliches, unbegrenztes Wissen sei und das Wissen der Menschen folglich stets begrenzt sei. Der Referent ging anschließend auf die 14 Autoritäten bei den Schiiten ein – der Prophet Muhammad, seine Tochter Fatima und die 12 Imame. Deren Überlieferungen genießen bei den Schiiten Autorität. Der Referent ging auf eine Überlieferung des schechsten Imams, Jafar as-Sadiq ein, nachdem es einen Unterschied gibt zwischen dem, was Gott weiß, und dem, was Er will. Gott wisse auch Sachen, die gegensätzlich seien. Unter Bezugnahme auf Aristoteles warf der Referent die Frage auf, ob sich Gottes Wissen nach der Schöpfung geändert habe und ob es folglich einen Unterschied zwischen dem Wissen Gottes vor und nach der Schöpfung Gottes gebe. Prof. Esfahani machte in der Folge das schiitische Verständnis deutlich. Die Schöpfung sei aus dem Nichts erfolgt. Das Wissen über das Nicht-Seiende sei sowohl vor der Schöpfung als auch nach der Schöpfung bei Gott. Die Schöpfung ändere bei Gott nichts, das Wissen, nachdem etwas stattgefunden hat, ändere sich bei Gott nicht.

Nach dem Referat von Prof. Esfahani folgte der Vortrag von Kathleen Goebel mit dem Titel „Der menschliche Wille im Spannungsfeld von Selbstbestimmtheit und Vorsehung aus islamischer Perspektive“.

Die Referentin machte deutlich, dass das Spannungsfeld von Selbstbestimmtheit und Vorsehung ein spannendes Thema sei und es zahlreiche Theorien und Thesen gebe. Sie habe nicht vor, eine neue hinzuzufügen,sondern möchte Dinge zu bedenken geben und flexible Prozesse auslösen, Denkanstöße geben, die nicht in festgefügten Thesen enden. Einleitend erzählte sie eine klassische Derwischgeschichte von Nasrudin, dem weisen Narren. Zwischen Vorsehung und Selbstbestimmtheit, so die Referentin, gebe es einen gravierenden Unterschied. Die Vorsehung sei grenzenlos und werde Gott zugeordnet, Selbstbestimmtheit sei begrenzt und werde dem Menschen zugebilligt.

Die Flucht vor dem Tod sei sinnlos, aber es gehe eigentlich auch gar nicht darum, wie man dem Tod entkommen könne (dies ist der Zuständigkeitsbereich der Vorsehung), sondern vielmehr darum, die Zeit, die einem hier gegeben ist, zum eigenen Besten zu nutzen. Und genau dies erfordere eine grundsätzliche und selbstbestimmte Entscheidung.

Die Referentin erläuterte danach das „Prinzip von Insh ’allāh“ (So Gott will) Das Wissen um die Bedingtheit des menschlichen Willens und die Anerkennung seiner Abhängigkeit von Gottes Willen werde z.B. bei einem bevorstehenden Vorhaben oder der Formulierung zukünftigen Geschehens zum Ausdruck gebracht durch ein Insh’allāh (So Gott will, wird es so sein). Im Anschluss daran ging die Referentin auf das „Konzept des Kismet“ im Sinne von Schicksal und Eigenverantwortung ein. Der Islam lehre, dass Gott Seiner Schöpfung nicht fern sei, Er habe sie auch nicht sinnlos erschaffen: Er Selbst begleite Seine Geschöpfe und bestimme ihre Geschicke. Er zeige seine Fürsorge in den Details des Lebens: … und Gott ist dessen wohl kundig, was ihr tut. (63:11) Die Vorsehung bewirke, dass die Menschen in unterschiedlichen Lebensumständen auf die Probe gestellt werden. denn die Welt sei der Ort der Bewährung. So sei es ebenso nutzlos, wenn die Menschen sagen, warum – warum lasse Gott dies oder das zu? Dies impliziere aber keinesfalls eine Annullierung der Eigenverantwortlichkeit des Menschen, auch wenn dies häufig stark vereinfachend und achselzuckend als “Kismet” (qismah – ‘Anteil’, ‘Los’) interpretiert werde, was zu einer schicksalsergebenen, passiven Haltung angesichts von Schicksalsschlägen wie auch gegenüber den alltäglichen Ereignissen führe.

Nach einer interessanten Diskussionsrunde endete die Veranstaltung um 21.15 Uhr.

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